Ich könnte ohne Theater

Näher können Lachen, Grübeln und Traurigsein nicht beieinander liegen: Eine unvergessliche Begegnung mit dem Schauspieler, Regisseur und Autor Andy Hallwaxx.

7 Min.

Andy Hallwaxx © Jennifer Vass/viewitlikejenni.com

Ein Hahn kräht, die Bienen feiern die Blumenwiese, die Katze lauert über einem frischen Maulwurfhügel und am Tisch duftet Mamas Apfelkuchen. Andy Hallwaxx’ Gartenidylle at its best. Omas Haus ist sein Refugium, den Garten zu pflegen sein Yoga. Man kennt den vielseitigen Künstler als Autor und Regisseur für namhafte Kabarettist:innen und Festivals, er spielte am Volkstheater und in zahlreichen TV-Produktionen, im Vorjahr gab er an Wolfgang Böcks Seite Doktor Rosenblatt in „Bockerer“ in Kobersdorf.

Andy Hallwaxx wurde in jenem Haus in Kemeten geboren, wo wir uns treffen und wo schon seine Mutter, sein Onkel und sein Bruder auf die Welt kamen. Offiziell heißt er Halwachs, „aber als mich jemand mal mit Hallwaxx angeschrieben hat, habe ich mir gedacht, das ist jetzt so falsch, das lasse ich so“, lacht er. Der Künstlername kam dann in den 1990ern, bei der Gründung seiner Theatergruppe „Hall & Wax Company“, prima zum Einsatz – und blieb ihm bis heute.

Andy Hallwaxx © Jennifer Vass/viewitlikejenni.com

Aufgewachsen ist Andy in St. Martin in der Wart – sozusagen in zwei Welten. Seine Oma war Friseurin, sein Papa übte denselben Beruf aus und betrieb zwei Geschäfte. Und dann war da noch der künstlerisch-kreative Kosmos: Dieselben Menschen, und zwar mütterlicher- und väterlicherseits, spielten Theater und machten Musik.
Er selbst verdankt den Beginn seiner Laufbahn der viel zitierten Frau Eberhart aus dem Ort, die die Kinder nach der Erstkommunion für ihre Theatergruppe begeisterte.

Nur: Dass all das auch „echte“ Berufe sein können, hatte niemand am Schirm. Bis eines Tages die Familie Albrecht-Schöffler nach St. Martin in der Wart zog. Der Vater war Dirigent, die Mutter Kostümbildnerin, der Bruder Opernsänger und die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. „Künstler wie Klausjürgen Wussow standen plötzlich in der Kuchl“, erinnert sich Andy Hallwaxx.

Von dieser Welt wollte er mehr. Nach der Gesellenprüfung zum Friseur packten er und der befreundete Musiker Friedl Gamerith die Koffer und gingen für ein Jahr nach Amerika.

Was habt ihr dort gemacht?
Andy Hallwaxx: Wir fuhren mit dem Auto quer durch die Staaten und in New York bekamen wir tatsächlich Jobs als Statisten an der „Metropolitan“, dem größten Opernhaus der Welt. Als ich zurückkam, bin ich bald zum Moki Kindertheater – ohne Ausbildung, als Autodidakt. Mehr als 2.000 Vorstellungen habe ich mit Moki gespielt, manchmal zwei bis vier am Tag. Da fuhren wir schon um fünf Uhr morgens los, weil wir auch selbst auf- und abbauten. So lernte ich alles von der Pike auf.
Abends haben wir uns mit Leuten wie Reini Moritz oder Sigrid Hauser zusammengetan und unsere eigenen Theaterstücke gemacht. Gewohnt habe ich mit Katharina Albrecht im ersten Bezirk in einer 200 Quadratmeter-Wohnung, wir lebten wie die Luxusbabys, wir selbst hatten aber keinen Groschen. Als Bühnenbild haben wir die halbe Wohnung verwendet und ich habe begonnen Regie zu führen.

Man braucht immer eine kleine Sehnsucht, eine kleine Unzufriedenheit, das treibt einen an.

Andy Hallwaxx


Wie haben deine Eltern reagiert?
Sie haben mich unterstützt, vor allem meine Mutter, easy war das nicht. Unser Beruf war immer unsicher, trotzdem musst du dir eine gewisse Leichtigkeit bewahren. Kürzlich habe ich mit Studierenden an einem Stück gearbeitet, da sagen begabte junge Leute zu mir: „Was mache ich denn im Herbst?“ – Diese Frage stellen wir uns ein Leben lang. Das ist schwierig für junge Menschen, sie brauchen die Unterstützung der Eltern, da geht es nicht nur ums Geld.


Du spielst, führst Regie, schreibst für die Bühne. Was fesselt dich an all dem?
Dass man so fantasievoll und abwechslungsreich leben kann.


… nur eben mit vielen Unsicherheiten. Wolltest du je aufhören?
Nein. Mal einen Monat lang nichts haben, das ist normal, aber das hatte ich schon lange nicht. Bei mir ist es so: Wenn ich spiele, tät ich lieber Regie führen, wenn ich Regie führe, lieber spielen oder schreiben und umgekehrt. Man braucht immer eine kleine Sehnsucht, eine kleine Unzufriedenheit. Das treibt einen wieder an. Eine andere Sache, die man aushalten muss: Wenn du auf der Bühne stehst, wirst du immer bewertet, jeden Tag und von allen.

Wie geht es dir damit?
Das ist manchmal mühsam. Gerade wenn du Probentage hast, die nicht funktionieren. Aus Erfahrung weiß man, dass es diese Tage braucht, aber trotzdem zweifelst du dann. Ohne Zweifel geht es nicht. Ich kenne großkotzige Leute, die so tun, als wären sie unantastbar, aber das ist Fassade. Unser ganzer Beruf ist Fassade. Wir sind Schauspieler! (lacht)

Andy Hallwaxx © Jennifer Vass/viewitlikejenni.com


Wie weit tauchst du in die Rolle ein?
In der Komödie ist man immer mit einem Aug’ beim Publikum, da geht es um Pointen und Timing. Eine Tragödie ist eine andere Geschichte. Ich habe mal Hitler gespielt, das nimmt einen schon anders mit. Aber danach lege ich die Rolle ab, es bleibt ein Schauspiel.


Was sind besonders schöne Dinge, an die du dich gerne erinnerst?
Die Zeit im Volkstheater (in der Ära Schottenberg, Anm.) habe ich sehr geliebt, auch meine Arbeit an der Staatsoperette Dresden. Ein Highlight war eine „Drei Engel für Charlie“-Show mit Transvestiten in Berlin oder dass ich am Theater an der Wien neben Placido Domingo auf der Bühne gestanden bin. Dass ich jetzt in der Wiener Staatsoper spiele, ist ganz toll. Früher habe ich mich dort angestellt, um eine Stehplatzkarte zu bekommen, und jetzt stehe ich auf der Bühne: in Rossinis „Barbier von Sevilla“, einer Inszenierung für Kinder aus der Mailänder Scala. Als ich bei der ersten Probe auf die 1.700 Plätze gesehen habe, hab’ ich gesagt: Gebt mir zwei Minuten.


Wie weit planst du? Hast du Visionen, die du verwirklichen möchtest?
Nein. Ich mache einen Schritt nach dem anderen. Talent ist schon gut, aber es braucht auch Glück. Ich könnte vielleicht berühmter sein, wenn ich ehrgeiziger gewesen wäre, aber da sitze ich lieber im Garten. Wenn ich morgen mit dem Theater aufhören muss, höre ich auf.


Nein!
Doch. Okay, vielleicht wäre ich tod­unglücklich (lacht). Vielleicht habe ich diese Sehnsucht nur, weil ich so viel zu tun habe. Aber ich muss nicht spielen.


Was würdest du denn machen?
Rasen mähen und Rosen züchten. Oder mehr schreiben.

Hot in St. Martin in der Wart. Andy Hallwaxx in jungen Jahren mit Katharina Albrecht (Mitte), heute Geschäftsführerin der Akademie des Österreichischen Films, und ihrer Cousine Christine Schöffler. Sie hat an der Universität für angewandte Kunst bei Vivienne Westwood und Helmut Lang Modedesign studiert und arbeitet derzeit als freie Texterin und Übersetzerin in Wien. © Jennifer Vass/viewitlikejenni.com


Wir haben noch nicht über dein Privatleben gesprochen. Geht sich ein solches aus?
Wenig, ehrlich gesagt. (Andy schweigt lange) Mein Partner ist leider vor zweieinhalb Jahren gestorben. Er war jünger und ich hatte Zungenkrebs. Aber ich habe es geschafft und er wurde plötzlich krank und starb völlig unerwartet an einer Lungenembolie. Man glaubt, zweieinhalb Jahre sind schon lang, aber so ist es nicht. Es ist noch immer ein Schock. Er hat beruflich etwas ganz anderes gemacht, war aber kulturbegeistert und unglaublich stolz, dass ich in der Staatsoper spiele, das hat er nicht mehr erlebt.


Das muss eine irrsinnige emotionale Anstrengung sein, mit solch einem Schmerz aufzutreten …
Andererseits kannst du in diese andere Welt flüchten, das kann auch heilsam sein. Und gefährlich, wenn man vergisst, dass das nicht das Leben ist.


Allein diese Festivalsaison machst du die Sommerspiele Melk, die Kinderoper in Klosterneuburg, das Uhudlertheater im Schloss Tabor. Wo schöpfst du Energie?
Hier im Garten oder in meiner Wohnung in Wien. Oder ich besuche mal meinen besten Freund in Zürich oder eine Freundin in Griechenland, aber ich kann auch daheim abschalten. Ich bin ja ein fauler Mensch.
Das sagst du, nachdem wir zwei Stunden darüber sprachen, was du alles machst?
Ich mache halt viel. Und gern. Aber es könnte auch mal nix sein (lacht).

Doktor Rosenblatt. 2022 bei den Schloss-Spielen Kobersdorf in „Bockerer“ mit Maria Hofstätter, Wolfgang Böck und Wolf Bachofner © Vogus/Schloss-Spiele Kobersdorf

Festivalsaison mit andy Hallwaxx

  • Von 5. Juli bis 14. August zeigen die Sommerspiele Melk die Musikrevue One Vision. Überdosis G’fühl; Buch & Regie: A. Hallwaxx
    sommerspielemelk.at
  • 23. Juli: Don Carlo für Kinder mit Andy Hallwaxx
    operklosterneuburg.at
  • Von 30. August bis 10. September zeigt das Uhudler Landestheater im Schloss Tabor Lache Bajazzo! – La vita è bello! oder: Das Leben ist ein Hund, Buch und Regie: Andy Hallwaxx
    uhudlertheater.at

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