People | 10.04.2020
Corona im Ausland
Elisabeth Steiger
seit 2012 im Ausland, pendelt seit drei Jahren zwischen Bangkok und Pöttsching
In Bangkok spürten wir die Auswirkungen des Coronavirus schon Ende Jänner. Leere Einkaufszentren, die sonst um diese Zeit mit chinesischen Shopping-Touristen überflutet sind. Die meisten meiner Freunde meinten, in ein, zwei Monaten sei alles wieder vorbei, es sei halb so schlimm. Außerdem kursierten Gerüchte, dass das Virus im heißen thailändischen Klima nicht überleben könne. Der Ernst der Lage wurde aber schleichend klar. Wir alle schraubten unser Sozialleben drastisch zurück. Kabaretts und Konzerte von ausländischen Künstler*innen wurden abgesagt. Sicherheitsabstände in einer Millionenstadt wie Bangkok sind schwer einzuhalten. Liftknöpfe, Rolltreppenleisten und Oberflächen wurden ständig desinfiziert. Desinfektionsmittel im Verkauf waren seit Ende Jänner Mangelware. Es gab auch ‚kreative‘ Maßnahmen wie zum Beispiel einen fragwürdigen Tunnel, der die Einkaufscenter-Besucher mit Desinfektionsmittel besprühte. Das tägliche Tragen einer Maske war normal geworden.
Die Stimmung änderte sich jedoch drastisch, als sich die Lage in Italien zuspitzte. Plötzlich war vielen klar, dass es sich nicht um eine ‚normale Grippe‘ handelte und langsam gab es auch stärkere Maßnahmen (z. B. Schließungen von Schulen und Restaurants). Das Gesundheitssystem in Thailand ist im Vergleich zu vielen anderen asiatischen Ländern sehr gut. Trotzdem kann man die Versorgung nicht mit jener Österreichs vergleichen. Einen Test hätte bis vor Kurzem jeder selbst bezahlen müssen. Die Kosten von 300 Euro sind bei einem Durchschnittsmonatslohn von knapp 450 Euro für viele nicht tragbar. Zugang zu einem guten Gesundheitssystem ist ein Privileg, das viele Österreicher gar nicht zu schätzen wissen. Als die Bundesregierung österreichische Reisende aufrief, nach Österreich zurückzukommen, zögerte ich nicht und flog noch am selben Tag in meine Heimat. Da ich auch in China und Hongkong gelebt habe, bin ich mit Freunden in ständigem Kontakt. In den letzten Tagen habe ich aus Shanghai gehört, dass sich die Lage entspannt hätte und dass fast schon wieder normales Leben herrsche. China war aber auch schon seit Ende Jänner im ‚Lockdown‘. Der Rat meiner chinesischen Freunde ist, dass wir hier zwei Monate durchhalten müssen. Hongkong gilt als eines der Beispiele für einen erfolgreichen Umgang, da sie im Vergleich nur wenige Corona-Fälle hatten. Doch auch hier sind die Infektionen in den letzten Tagen wieder sprunghaft angestiegen – es wird vermutet, dass Reisende das Virus bei der Rückreise wieder ‚importiert‘ haben. Wer genauer wissen möchte, wie ich mit der Situation umgegangen bin: Meine Erlebnisse und Erfahrungen teile ich täglich in meinem ‚No Panic Diary‘ auf thepinklookbook.com und auf Instagram.
Lukas Ruf
studiert ein Auslandssemester in Moskau, usprünglich aus Pilgersdorf
Viele andere Studenten aus Österreich sind bereits nach Hause geflogen. Mein Kumpel und ich sind hiergeblieben, wir sehen heimfliegen jetzt irgendwie als aufgeben. Mir ist bewusst, dass die Lage ernst ist. Aber wenn ich jetzt nach Hause fliege, müsste ich in Quarantäne und hätte danach Ausgangssperre. Das habe ich hier bisher nicht. An den Unis findet der Unterricht zwar nicht wie gewohnt statt, sondern wir lernen und studieren vorrangig von daheim aus, aber wir können jederzeit an die Uni, um dort Angelegenheiten zu regeln, und das muss öfter mal sein. Viele Leute – sowohl hier in Russland, als auch weltweit – denken, die russische Regierung nennt falsche Zahlen in Bezug auf die Infizierten. Aber ich sehe, dass auch regierungskritische Medien denn Ball flach halten und wir glauben, die Krise könnte an Moskau vorbeigehen bzw. nicht so schlimm werden wie in Mitteleuropa. Denn hier hat sie später begonnen und jetzt wird es immer wärmer. Derzeit wird nur kommuniziert, man soll unnötige Wege lieber verschieben und auf die Hygiene achten etc. Das mit dem Abstandhalten wird nicht extra betont, da die Russen ohnehin eine andere Mentalität haben als die Italiener oder Spanier. Die Distanz zu Menschen ist hier normal. Trotzdem, glaube ich, wird noch eine Ausgangssperre kommen. Diese wird hier dann sicher viel härter umgesetzt als in Mitteleuropa und die Leute werden sich sicher streng daran halten. Hier wird viel kollektiver gedacht als beispielsweise in Österreich, wo sich sehr viele nicht an die Ausgangssperre halten.“
Marie Schmögner
lenkte einen Lkw von Spanien nach Deutschland
Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Schon tagelang hatte ihre Familie die 21-Jährige zu überreden versucht, sie möge die Rückfahrt von Spanien antreten. Doch die Infos aus Deutschland blieben vorerst beschwichtigend. Marie Schmögner fühlte sich zerrissen. Als eine Art „Kindermädchen“ für Star-Pferde war die gebürtige Südburgenländerin gerade mit einem Kollegen und insgesamt zehn Schützlingen bei einem großen internationalen Turnier in Südspanien. „Ich hab’ zwei Tage fast durchgeheult, bis wir endlich tatsächlich vorzeitig zurück nach Deutschland fahren konnten“, schildert die sonst taffe junge Frau. An die 3.000 Pferde und ihre Teams aus verschiedenen Nationen waren vor Ort; sie hatte Sorge, was passiert, wenn die Grenzen schließen, wenn sie in Quarantäne müsste und nicht mehr nach Deutschland käme. Und das nicht ohne Grund: In der Zwischenzeit schnellte in Spanien die Zahl der Infizierten hoch. Ihre Tränen waren aber nicht einzig der Angst, sondern auch der Anspannung geschuldet. Schließlich trug die ausgebildete Pferdepflegerin die Verantwortung für die sichere Heimkehr der wertvollen Pferde des renommierten Springreiters Max Kühner. Das bedeutete im Klartext: Pferde und Material in den Lkw verladen und auf schnellstem Wege zum Stall in Deutschland zurückkehren. „Wir haben in drei Tagen 3.000 Kilometer zurückgelegt“, schildert Marie Schmögner, die selbst am Steuer saß. Die Mission ist geglückt: „Wir passierten um 7.30 Uhr die Grenze nach Deutschland, eine halbe Stunde später war sie zu.“ Als sie sich am nächsten Tag wieder sammeln konnte, war sie froh, dass alles glattging, und traurig zugleich: „Da wurde mir klar, dass mein für Ende März geplanter Besuch im Burgenland flachfallen wird.“
Piero und seine Familie
leben im Nordburgenland, sein Papa und seine Schwestern in Italien
Piero, seine Partnerin und ihre Kinder hatten eigentlich großes Glück: Sie steckten sich bei ihrer letzten Reise nicht an. Dennoch ist es dem gebürtigen Italiener und seiner Familie im Interview keine Sekunde zum Jubeln zumute. Sein Vater, seine Schwestern, viele Verwandte und Freunde sind in jenen Gebieten zu Hause, die es besonders schlimm erwischte. Eine Tante ist Nonne und Volksschuldirektorin, sie lebt in Brescia. „Sie sagt, es fühlt sich an wie ein Krieg ohne Waffen, weil es so viele Todesopfer gibt“, schildert Piero, der vor gut zehn Jahren der Liebe wegen ins Burgenland kam. Als er mit seiner Familie zuletzt Mitte Februar in den Semesterferien in Venedig war, gab es noch keinen Grund zur Sorge. „Einzig die Kinder wollten plötzlich Schutzmasken“, erinnert sich seine Partnerin Angelika. Hannah und Matteo kannten das Coronavirus, das in China wütete, aus den Nachrichten. In Italien war damals noch kaum die Rede davon, man sprach zunächst von zwei erkrankten Touristen Ende Jänner in Rom. Erst Tage nach ihrer Rückkehr in Österreich änderte sich die Lage, schlagartig häuften sich die Infizierten und die Stimmung schlug um. „Freunde in der Schule haben zu mir gesagt, ich soll weggehen, sonst stecke ich sie an“, sagt Matteo. Die Eltern schalteten sofort, konsultierten Mediziner*innen. „Aber niemand von uns hatte Symptome, zu diesem Zeitpunkt riet noch niemand zu einer Quarantäne“, sagt Angelika. Sorge um Familie. Gerne wären sie erleichtert gewesen, als die kritischen 14 Tage, also die Inkubationszeit, verstrichen war, ohne dass jemand von ihnen erkrankte. Doch zeitgleich nahm die Covid-19-Pandemie in Italien solch katastrophale Ausmaße an, dass sie jene zuvor in China übertraf. „Das große Glück, das mein Vater hatte, war, dass meine Schwester sehr schnell auf Homeoffice umstellen konnte“, sagt Piero. Die beiden leben in einem Haushalt in einem Dorf, das zum Zeitpunkt unseres Gesprächs (22. März) noch verschont war, während im nahen Mirano bereits an die 100 Menschen im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Sorge um Familie und Freunde, die sie sonst mehrmals im Jahr besuchen, bei denen sie ihre Urlaube verbringen, wurde ihr ständiger Begleiter. „Abends vor dem Schlafengehen muss ich oft weinen, weil ich Angst um meinen Opa und all die anderen habe, dass sie die Krankheit bekommen und sterben könnten“, sagt Hannah. Ihr Nonno ist der Dorfmesner, nun durften seit Wochen keine Messen gefeiert werden; der Ausgang seiner Tochter beschränkte sich auf Lebensmitteleinkäufe. In den täglichen Telefonaten und Videochats seien die Spuren der wochenlangen Isolation immer deutlicher geworden, das Warten auf ein nicht vorhersehbares Ende machte Verwandte und Freunde aller Generationen zunehmend trauriger, antriebsloser. „Mittlerweile vergeht kein einziger Tag ohne Kontakt“, sagt Angelika. „Wenn man nun etwas Positives an dieser schlimmen Situation finden will, kann man nur sagen, dass die Familie sehr, sehr eng zusammengerückt ist.“
Christina Bauer-Zaidi
lebt seit 2008 in Mumbai, stammt aus Unterpetersdorf
Die Entwicklung in Europa hat schon etwas fast ‚Ehrfürchtiges‘ an sich. Man kann sich gar nicht so recht vorstellen, dass diese hoch entwickelten Länder dieses Virus nicht aufhalten können. Umso mehr Angst macht es mir, dass es nun auch in Indien angekommen ist. Wir befinden uns seit 14.3. zu Hause – die Schulen sind geschlossen. Wir hatten das Glück, dass das Schuljahr fast schon zu Ende war – nur mehr die letzte Woche wurde gestrichen und nun sind Ferien bis Mitte April. In unserem Haushalt sind wir im Moment zu viert – es variiert, je nachdem wer gerade in der Stadt ist. Wir müssen vorsichtig sein, da meine Schwiegermutter Asthma-Patientin ist und eine Erkrankung wohl fatal ausgehen könnte. Mein Mann ist Schauspieler, er konnte die Fernsehserie noch einigermaßen fertigdrehen – am 19.3. wurde offiziell das Ende aller Drehs verkündet. Unser Alltag ist nun etwas anders. Wir haben normalerweise eine ‚Maid‘ und Köchin, die ein Mal am Tag kommen und uns das Leben erleichtern. Natürlich kommen diese Zauberfeen derzeit nicht und wir müssen uns die Aufgaben teilen. Da ich immer schon von zu Hause aus gearbeitet habe, ist Homeworking für mich keine Umstellung, nur die vielen Leute um mich herum ändern die Situation erheblich. Wir wohnen auf einer Halbinsel in Mumbai und haben herrlichen Meerblick. Es ist uns aufgefallen, dass die Tage immer klarer und schöner werden – wir konnten extrem weit auf das Meer sehen! Das ist wohl einer der guten Effekte an dieser ganzen Situation. Indien hat generell relativ schnell einige einschneidende Maßnahmen umgesetzt – Visa wurden storniert, Einreisen wurden extrem beschränkt, seit 22.3. gibt es keine Passagierflüge mehr bis zumindest 31.3. Und seit 22.3. gilt auch ein kompletter Lockdown in Maharashtra – man kann sich vorstellen, was das in einem Land mit über 1 Billion Einwohner zu bedeuten hat. Es ist ein Wahnsinn! Aber es geht wohl nicht anders – doch viele Leute halten sich leider nicht an die Ausgangssperre. Man muss sich auch vorstellen: ‚Self Isolation‘ haben die Inder noch nie gehört. Wie soll das für diejenigen funktionieren, die zusammen mit 15 Familienangehörigen in den Slums wohnen? Privatsphäre gibt es dort so gut wie keine. Für uns ist es im Moment das Wichtigste, gesund zu bleiben, denn die medizinische Versorgung wird kollabieren. Weiters haben wir uns bereits mit den wichtigsten Lebensmitteln eingedeckt, weil es im Moment nicht klar ist, inwiefern die Nahrungsversorgung aufrechterhalten werden kann. Es wurde von der österreichischen Botschaft ein Rückholflug angeboten, den wir aber nach Abwägung verschiedenster Gründe und nach Rücksprache mit meiner Familie abgelehnt haben. Am 24.3. wurde ein kompletter 21-tägiger Lockdown für ganz Indien von Prime-Minister Modi ausgesprochen. Es betrifft nun das gesamte Land – inwieweit das wirklich machbar ist, wird sich zeigen. Bis vor Kurzem gab es Testmöglichkeiten für potenziell Infizierte nur in ‚Government Hospitals‘ (nur zwei in ganz Mumbai!), nun dürfen auch die privaten Labore und Spitäler Tests durchführen. Allerdings kostet ein Test ca. 55 Euro! Man kann sich vorstellen, wer sich das hier leisten kann und will. Das heißt, die offiziellen Infiziertenzahlen sind wohl komplett zu vergessen, da die Leute einfach nicht testen gehen. Was jedoch sehr schön mitanzusehen ist, sind die gegenseitigen Hilfsangebote, Unterstützungen für Ältere und das immer stärker werdende Gemeinschaftsgefühl. Sonst sind wir im Moment noch recht beschäftigt: Arbeit, Haus, Kind, Workout, Yoga, Weiterbildung und Netflix. Ich denke, wir werden die nächste Zeit schon gut überstehen. Langeweile kommt bei mir nicht so leicht auf, ich hab einiges am Programm, für das ich sonst wohl noch viel länger gebraucht hätte. Wichtig ist, dass die Leute die Vorgaben befolgen und die Zahlen nicht explodieren.Wir wünschen allen, dass wir aus dieser seltsamen Zeit gestärkt und verändert, mit einem neuen, vielleicht reduzierten Leben weiterhin zurechtkommen werden.“
Ester Seifner
lebt seit September 2016 in Ann Arbor (Michigan), ursprünglich aus Neckenmarkt
Von den Verordnungen her war es hier bei uns ähnlich wie in Österreich, nur mit einer Woche Verzögerung. Da hatten wir auch schon die ersten zwei Infizierten in Michigan. Zuerst wurden die Schulen geschlossen, dann die Veranstaltungen abgesagt. Die Restaurants wurden ab 17.3. auch geschlossen, jedoch Carry-out und Drive-through ist weiterhin erlaubt. Skandalös finde ich, dass ein großer Store in Ann Arbor, wo Handwerkerutensilien und Reinigungsmittel zu bekommen sind, kurzfristig die Preise erhöht hat.
Wir sind erst vor Kurzem innerhalb des Staates umgezogen und als ich vor einigen Tagen einen Jugendlichen im Nachbarsgarten stehen sah, wollte ich hinüberrufen und mich als neue Nachbarin vorstellen. Als er sich umdrehte, sah ich, dass er eine riesige Waffe in der Hand hielt und im Garten auf eine Zielscheibe schoss. Dazu muss ich sagen, dass Waffen eines der ersten Dinge waren, die in der Coronavirus-Krise ausverkauft waren.
In unserem Freundes- und Bekanntenkreis hier hat jeder seine eigenen Probleme. Die eine jammert, weil sie bereits ihr Prom-Kleid gekauft hat und der Ball jetzt nicht stattfindet, einige Schüler haben Heimarbeiten, andere wiederum nicht. Meine Musiker-Freundin, die sich mit Live-Gigs über Wasser hält, hat jetzt kein Einkommen, sie ist 65 und ihr Mann 90 Jahre. Da hab ich es etwas leichter, da ich als Musikproduzentin meinen Job nach wie vor von zu Hause aus für meine Kunden tun kann. In meinem Dayjob als ‚Home Furnishings Consultant‘ wurde ich nun leider kurzfristig wegen der Coronavirus-Krise gekündigt, so wie auch viele andere hier. Ich kann mich glücklich schätzen, eine Krankenversicherung über meinen Mann zu haben. Ich bin froh, dass jetzt auch hier der Ernst der Lage erkannt wurde und Maßnahmen gesetzt werden. Da die Amerikaner ständig etwas zu tun haben müssen und es ‚in‘ ist, ständig ‚busy‘ zu sein, denke ich, dass mit der Coronavirus-Krise hier ein kleines Umdenken stattfinden wird und die Gemütlichkeit wieder mehr geschätzt wird.“
Als Künstlerin möchte ich meine Gedanken in Form eines Mundart-Gedichts zum Ausdruck bringen:
Eissn hortn und nua gehn in Goatn,
sou probian hoit wir,
dass der nid einigeht, der Vir.
Haeindt woschn is unsa haechstes Gebot,
bevor mas aufschnein, des hoate Brot.
Mitn Liabsten rund umd Uah,
dou kunns scha vorkeimma: „Du bleede Kuah!“
Heia wern ma hoit Hendln zichtn und gartln,
damit’s nid weniger wern, die Speckschwartln.
Rund umd Uah die Nouchrichtn schaun
und die Nochban beobochtn übern Goatnzaun.
Bleibts z’haus,
dounn is boid aus,
der Graus,
der Vir muass raus.
Iris Kern-Foster
wuchs in Mattersburg auf, heute lebt sie in Huntington Beach, Kalifornien
New York war ihr „Happy Place“. Dorthin flog sie, als sie vor gut zehn Jahren Tapetenwechsel brauchte. Sie wollte schreiben und malen. Die Liebe brachte dann die in Mattersburg aufgewachsene, vielseitige Künstlerin nach Kalifornien, wo sie mit einem Musiker und Fotografen verheiratet ist. Mit dem sechsjährigen Sohn Oliver stehen nun Lego-Marathons in der Isolation an, lacht Iris Kern-Foster, gibt aber im nächsten Atemzug zu, dass sie die Situation schon verunsichert. „Ich habe das Gefühl, dass ich von meiner Familie und meinen Freunden aus Österreich gerade mehr zuverlässige Informationen bekomme als hier in den USA“, sagt sie. Iris Kern-Foster promovierte in Cultural Studies, parallel zu ihrer kreativen Laufbahn war sie Art- und Creative-Directorin für große Unternehmen und Organisationen wie Sony, Greenpeace, Coca-Cola und T-Mobile. Heute unterrichtet sie Grafikdesign am Crafton Hills College in Kalifornien. Als wir das Skype-Interview führen, werden als Maßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus gerade der „Spring Break“ (vergleichbar mit Semesterferien, Anm.) verlängert, „um auf Online-Teaching umzustellen“, erklärt sie. Die Zahl der Infizierten im drei Millionen Einwohner zählenden Orange County nimmt zunehmend zu. Bars halten zu diesem Zeitpunkt noch beschränkt offen, die Schulen haben bereits geschlossen. Das wiederum werde schlimme Auswirkungen für viele Familien haben, befürchtet sie. „Wir haben hier eklatante sozioökonomische Unterschiede. Es gibt ein eigenes ,Meal Program‘: Viele bekommen in der Schule eine geförderte Mahlzeit. Man versucht nun, die Küchen offen zu halten und die Ausgabe irgendwie zu managen, damit diese Kinder trotzdem ein warmes Essen haben.“ Besuch abgesagt. Persönlich trifft es sie sehr, dass ihre Mama nun nicht wie geplant im April aus Mattersburg wird anreisen können. Sorgen macht ihr außerdem das Wohlergehen ihrer Schwiegermutter, die erst kürzlich eine Hüft-Operation hatte. „Wir wissen noch nicht, wie ihre Hauskrankenpflege und ihr Rehab-Prozess funktionieren sollen. Hier ändern sich auch gerade stündlich die Informationen“, sagt Iris Kern-Foster.
Sie selbst neige weniger zu panischen Reaktionen; die Hamsterkäufe im Umfeld seien aber seit Tagen – unser Gespräch fand am 18. März statt – unübersehbar. Einmal fährt ein Klein-Lkw mit einer Ladung Klopapier vor, ein anderes Mal hört sie von einer Supermarkt-Rechnung eines einzelnen Kunden in der Höhe von 3.000 Dollar. „Aber man muss schon verstehen, dass die Menschen in Kalifornien eine andere Sensibilität für Katastrophen haben“, erklärt sie. Sie selbst fährt regelmäßig auf dem Weg zu ihrem College an großen Feuern vorbei. „Außerdem haben wir hier häufig Erdbeben.“ Die Bandproben ihres Mannes sind nun abgesagt, ebenso alle Events. Die College-Professorin stellt sich auf eine längere Zeit mit Online-Teaching ein. „Auch das wird für viele Familien nicht einfach, weil nicht alle entsprechend über Laptops und Internet-Zugang verfügen.“ Sie wünschte sich, die Coronavirus-Maßnahmen würden in den USA schneller formuliert und umgesetzt, man würde klarer informiert werden. „Es irritiert mich, dass ich gar nicht weiß, worauf wir warten.“