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People | 22.03.2022

Form & Freiheit

In Schlaining fand sie ihre schöpferische Oase: Petra Lindenbauer formt Tafelgeschirr für die Spitzengastronomie, schafft Kunstobjekte und bereist für Symposien die Welt.

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Keramikkünstlerin Petra Lindenbauer © Jennifer Vass/#viewitlikejenny

Manchmal ist keine Antwort die Antwort. Mindestens drei, vielleicht sogar vier Mal stelle ich Petra Lindenbauer die Frage, was sie am Material, dem sie Fantastisches in vielen Facetten entlockt, liebt. Gute zwei Stunden unterhalten wir uns in ihrer Werkstatt mit dem großen Fenster, das den Blick auf die historische Mauer von Stadtschlaining freigibt. Den Mariage-Frères-Grüntee aus Paris serviert sie natürlich in Tassen, die ihre Hände formten. Wir blieben zuvor schon nach wenigen Schritten im Durchgang in Richtung Garten hängen: Gemauert wurde der Bogen über dem Kopf im 17. Jahrhundert, auf den Regalen da­runter präsentiert die Keramikerin ihre „Open Gallery“.


Von der Kugelvase

„Einmal versuche ich’s noch“, leite ich im Finale keck ein: „Was magst du an Ton und Porzellan?“ Warum es darauf keine Antwort gibt, ist noch schöner: „Es fühlt sich für mich nicht an wie ein anderes Material, ich arbeite damit, als gehörte es zu mir, so wie wenn ich meine Haare frisiere.“ Diese Beschreibung erscheint wie das letzte Puzzleteil von einem Bild, an dem sie in diesem Interview teilhaben lässt. Das erste Stück stammt aus ihrer Kindheit, als sie – gemeinsam mit der Schwester – quasi in der Werkstatt des Vaters aufwuchs, dem Bildhauer Alois Lindenbauer. „Wir brauchten kein Plastilin, wir spielten mit seinen Tonresten.“ Als sie etwa zwölf Jahre alt ist, kommt die gebürtige Oberösterreicherin zufällig bei einem Familienurlaub in die Werkstatt eines Keramikers in Illmitz. „Es fühlte sich an, als wäre ich schon einmal  dort gewesen. Das Licht, die Wärme, der Geruch – alles war so vertraut. Wir haben dort eine Kugelvase gekauft: Die zu Material gewordene Idee, dass ich Keramikerin werde.“

Petra Lindenbauer entscheidet sich zunächst für die Keramikschule in Stoob, „eine Weltreise von Oberösterreich“, lacht sie heute; danach besucht sie die renommierte Ortweinschule in Graz. „Dort herrschte ein künstlerischer Geist vor; in Anna Losert hatte ich eine großartige Professorin, die die Ernsthaftigkeit der Arbeit mit Ton so betont hat.“ Später macht sie sich mit ihrem Mann selbstständig; sie bauen für moderne Architektur adäquate Heizobjekte. Mit ihren beiden Kindern leben sie viele Jahre in Klosterneuburg, in den 2000ern entfliehen sie der immer näher rückenden städtischen Besiedelung. Das denkmalgeschützte Gebäude in Stadtschlaining bezieht Petra Lindenbauer 2011; aufwendige Restaurierungs- und Umbauarbeiten machen es zu jenem märchenhaften Ort, der es heute ist. Ihre kreative Entwicklung führt sie von den beheizbaren Plastiken weg, sie legt den Fokus auf Kunstobjekte „abseits von jeglicher Funktionalität“, wie sie beschreibt. Diese Facette ihres Tuns spielt seither eine große Rolle in ihrem Leben; Einzelausstellungen bzw. die Teilnahme an großen Ausstellungen und Einladungen zu internationalen Symposien führen sie rund um den Globus. Ihre Kinder besuchen gemeinsam Kindergarten und Volksschule, so tritt die Journalistin Martina Parker – neuerdings erfolgreiche Romanautorin (siehe S. 65) – in ihr Leben und irgendwann mit einer ungewöhnlichen Idee an sie heran. „Ich bin mit einer lila Handtasche zu Petra und hab’ ihr gesagt: In dieser Farbe hätte ich bitte gerne Geschirr. Sie hat die Hände zusammengeschlagen“, erzählt die Freundin die pointierte Anekdote.


Sie lässt sich überreden

„Ich erkannte schnell, dass ich dem ganzen Unrecht getan habe. Ich fand heraus, dass ich mich ein Leben lang mit Geschirr beschäftigen kann, um zu sehen, was alles machbar ist“, gibt Petra Lindenbauer zu. Als wenig später, das ist gute zehn Jahre her, Martina Parker ein Foto im Magazin Wienerin von den Keramiktellern bringt, „war das, als hätte die Gast­roszene darauf gewartet“, schmunzelt sie. Food­stylist*innen und Spitzengastronom*innen klopfen bei ihr an, Heinz Reitbauer ist der Erste, der für das „Steirereck“ Tafelgeschirr von Petra Lindenbauer nicht nur designen lässt; denn das Besondere ist bis heute: Jedes Stück entstammt den Händen der Künstlerin und ist somit stets ein Unikat. Später folgen Kooperationen mit Spitzenköchen wie Silvio Nickol oder Konstantin Filippou; aktuell arbeitet sie an einer Kollektion für Sebastian Feldbacher für das Fine Dining im „Zur Hofstub’n“ in Pischelsdorf. Behutsam nehme ich die innen transparent mit zartem Blaugrün glasierten Porzellanteller in die Hand: „Wie geht man damit in einer Küche um?“ – Petra Lindenbauer lacht, diese Frage hört sie oft: „Man kann nicht ein Ballkleid mit Pailletten kaufen und es behandeln wie irgendein T-Shirt. Natürlich bricht es, wenn es runterfällt.“ Im gleichen Atemzug möchte sie die Scheu davor nehmen, den privaten Haushalt mit handgefertigtem Geschirr auszustatten. „Ich freue mich sehr, wenn Familien oder Paare mich beauftragen; sie kommen mit so viel Euphorie.“ Das sei auch ein schöner Ausgleich zu den diszipliniert durchgetakteten Kooperationen mit Haubenköchen, ebenso wie „wenn ich irgendwo bei einem Symposion am Strand Abgüsse aus dem Sand mache“, sagt sie. „Die schöpferische Energie daraus fließt wiederum in die Entwürfe für die Gastronomie.“  

Impressionen
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Die bunten Schüsseln formte sie während der Pandemi.

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Neue Kollektion

Die handgefertigten Unikate werden zur Bühne für die Gerichte von Spitzenkoch Sebastian Feldbacher.

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Die Schüssel ist der Anfang von allem, von uns allen. Essen ist das Wichtigste.

Petra Lindenbauer, Keramikkünstlerin

Lucky Bowl & Open Gallery

Als die Welt stillstand, weil Corona kam, pausierte auch die Spitzengastronomie. Petra Lindenbauer plünderte daraufhin ihre Glasur- und Ton-Vorräte und bereitete sie aufwendig wieder auf, um sich auf den Ursprung zu besinnen: Sie töpferte Schüsseln. „Damit begann alles vor Millionen von Jahren. Die Schüssel ist der Anfang von allem, von uns allen; Essen ist das Wichtigste.“ Sie glasierte sie in vielen Farben und öffnete ihr Tor: Seither heißt es für gewöhnlich freitags „Open Gallery“, dort können die sogenannten Lucky Bowls erworben werden. Die gibt’s auch im MAK-Shop (Museum für angewandte Kunst) und sie inspirierten Haubenkoch Jürgen Csencsits zum Menü „Bowl Sixty-Six“.


www.petralindenbauer.at

 

Fotos Jennifer Vass/#viewitlikejenny