People | 13.03.2023
„Wenn man springt, erscheint das Netz“

Männer gehen manchmal einen Schritt zurück, wenn sie erfahren, womit das Werk vor ihnen gemalt wurde. Frauen sind eher spontan fasziniert „und gehen näher ran“, lacht Katrin Bernhardt, während sie für die Fotografin zwei Bilder in Rottönen aufhängt.
Zugegeben, alltäglich ist das nicht, mit dem eigenen Menstruationsblut zu malen. Ob sie es als feministischen Akt versteht? „Ja, solange es spannend ist. Erst dann nicht mehr, wenn es alltäglich wird, wenn irgendwann alle mit Menstruationsblut malen, sogar die Oma.“ Sie selbst ist auch von den Eigenschaften begeistert: „Das Blut hat jedes Mal eine andere Farbe und ist stark pigmentiert; du kannst es sehr gut verdünnen.“
Weil diese relativ neue Facette ihres künstlerischen Schaffens stark polarisiert und viele Gespräche anregt, will sie das Thema noch ein bisschen mehr erforschen und ausreizen. Gemeinsam mit einer Freundin plant sie Blut-Malworkshops für Mädchen und junge Frauen. Das Duo zielt darauf ab, Hemmschwellen abzubauen, die Teilnehmerinnen durch das intuitive Arbeiten, also das Malen, zu einem positiven Zugang zum weiblichen Körper hinzuführen.
„Warum soll Menstruationsblut grauslicher sein, als wenn ich mir in den Finger schneide?“, fragt sie. Menstruation ist ein großes Tabu, über Generationen ist den Frauen eingetrichtert worden, es zu verheimlichen. Bis heute soll der Tampon in der Hand nicht sichtbar sein, wenn Frauen damit auf die Toilette gehen. „Ich habe mir gedacht: Genau deswegen muss das Blut auf ein Bild. Man muss es anschauen. Etwas, das als Abfall gesehen wird, wird plötzlich zum wichtigen Stoff.“
Auf die Idee kam die Künstlerin im Zuge einer Aktserie. Der Zyklus hieß „Finde die Frau“; man muss auf diesen Bildern die weiblichen Körper richtiggehend suchen. „Es heißt doch immer: Wir haben keine Frau für den Vorstand gefunden, wir haben eh so viele gefragt. Ich habe die Sicht- bzw. Unsichtbarkeit von Frauen in der Gesellschaft thematisiert.“
Etwa seit dem Studium, dem Erweckungsmoment durch die Lektüre von Texten der feministischen Geschlechterforscherin Judith Butler, zieht sich der feministische Ansatz durch das Schaffen von Katrin Bernhardt. Er ist quasi der rote Faden. Die Arbeiten aller künstlerischen Gattungen, derer sie sich bedient, fädelt sie wie Perlen dran. Und die Kette wird lang: „Ich denke nicht darüber nach, ob ich etwas kann oder nicht. Ich stürze mich autodidaktisch auf alles, was mich reizt. Wenn etwas nicht klappt, hatte ich trotzdem eine schöne Zeit und habe immerhin etwas Produktiveres getan, als nur ferngeschaut“, sagt sie.
Heimlicher Beginn
Katrin Bernhardt wuchs in Forchtenstein auf; sie war etwa im Volksschulalter, als ihr Vater Josef, ursprünglich Hochbauingenieur, international durch seine Bilder und Kunstinstallationen bekannt wurde. Den Großteil der Sommerferien erlebt sie auf Kunstsymposien, etwa mit elf beginnt sie zu schreiben. „Sehr heimlich“, schmunzelt sie. Einmal finden ihre Eltern zufällig einen Text: Um ihre Befangenheit auszuklammern, zeigen sie ihn einem befreundeten Autor. Auch er rät auf Anhieb, weiterzumachen. Eine Vielzahl Literaturpreise säumen ihren Weg bis heute; bislang schrieb sie vorwiegend Lyrik. Darin spielt sie gerne mit Ambivalenzen, lässt ihre Leser*innen in der Sonne spazieren, um plötzlich von dunklen Schatten überrascht zu werden. Zuletzt erschien der Gedichtband „Aufbrechen“ (lex liszt12); darin verarbeitet sie unter anderem Begegnungen mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Katrin Bernhardt ist nicht nur ein offenbar ständig sprudelnder Quell schöpferischer Prozesse, sie ist ebenso zielstrebig und organisiert: So war sie in der Forschung tätig, sie war Angestellte im Projektmanagement – und sogar Lehrerin. „Ich habe keine Fünfjahrespläne“, sagt sie über sich. „Ich arbeite lieber projektorientiert an konkreten Dingen, die ich jeweils umsetze.“
Nachdem sie als Archäologin promovierte, unterrichtete Katrin Bernhardt an einer Wiener Mittelschule; Kids mit Flucht- und Diskriminierungserfahrungen saßen in ihren Klassen. Sie nahm am Programm „Teach for Austria“ teil: Junge Akademiker*innen aus unterschiedlichen Bereichen kommen dabei nach einem aufwendigen Auswahlverfahren und einem wochenlangen Crashkurs in herausfordernden Schulen als Lehrende zum Einsatz. Die Initiative zielt auf Bildungsgerechtigkeit für jedes Kind ab. „Das war fordernd, aber ich habe sehr gern mit den Kindern gearbeitet.“ Sie selbst hatte die Chance auf eine Bildungskarriere, reflektiert sie. „Ich war die erste in der Familie, die promovierte. Ich hatte aber einfach Glück und wollte etwas zurückgeben.“ Nach dem zweijährigen Programm verlängerte sie um weitere zwei Jahre.
Amazonen im Vormarsch
Zuletzt widmete sich Katrin Bernhardt verstärkt dem Schreiben. In ihrer Schublade liegen völlig neue Arbeiten. Sie verfasste und illustrierte etwa das Kinderbilderbuch „Dori Dachs“. „Meine Message darin: Wir sollten mehr ruhen. Müßiggang gibt’s immer seltener, alles ist auf Selbstoptimierung getrimmt. Dabei kann man gerade in der Ruhe viel entdecken.“ Auch ein Mädchenkrokodil fand den Weg aufs Papier, seine Geschichte illustriert sie gerade.
An Erwachsene richtet die Autorin ihren ersten Roman, den sie unter anderem mit einem Arbeitsstipendium des Landes in Paliano verwirklichte. „Das war, als hätte man einen Deckel abgehoben. Ich hab’ förmlich ein Übersprudeln von Ideen erlebt“, schwärmt sie. In ihrer Story erfindet sie die Rolle der Amazonen neu; sie infiltrieren als Händler und Diplomaten getarnt die griechische Gesellschaft und verhelfen Frauen an die Macht. Die Autorin schreckt nicht davor zurück, Mythen auseinanderzupflücken und neu zusammenzusetzen. Historische Schnitzer sind für sie aber ein No-Go. „Ich habe viel und selbst Banales recherchiert, beispielsweise wie lang man damals mit einem Boot von A nach B brauchte.“
Faszination Tod
Sie war 13, als sie „Götter, Gräber und Gelehrte“ von C. W. Ceram las. „Da war für mich klar: Ich werde Archäologin. Das ist ein so breites Studium; ich bin viel gereist, es ermöglicht, in vielen Dimensionen und zeitlichen Horizonten zu denken, und du lernst viel über die Menschen.“
Eine daraus resultierende Faszination gilt dem Tod bzw. den Ritualen, mit denen der Mensch versucht, ihn zu begreifen und zu verarbeiten. 2022 startete sie beim niederösterreichischen Viertelfestival das interaktive Projekt „Das letzte Hemd hat viele Taschen“. In zwei Gemeinden ging es bereits über die Bühne, weitere sollen folgen. Dabei ruft sie das Publikum auf, Wunsch-Grabbeigaben mitzubringen. Die Umrisse der Gäste werden auf ein Plakat gezeichnet, ihre fiktive Leiche wird mit den mitgebrachten Gegenständen bestückt, fotografiert und ausgedruckt. „Am spannendsten waren die Gespräche; ich hab’ nicht erwartet, dass sie so intensiv werden.“ Eine witzige Erkenntnis: Am häufigsten brachte man Kaffee als Grabbeigabe mit.
Den Fokus legt Katrin Bernhardt – sie ist übrigens glücklich verheiratet – aktuell auf die Verlagssuche für ihr Romandebüt und schlägt parallel dazu ein neues Lebenskapitel auf: erstmals als komplett freischaffende Künstlerin. „Ich hab’ die Erfahrung gemacht, wenn man springt, erscheint das Netz.“
KURZBIOGRAFIE
- Geboren 1982, aufgewachsen in Forchtenstein, verheiratet und lebt in Bad Fischau
- Studium der Klassischen Archäologie und Philosophie mit Schwerpunkt Gender Studies, 2013 PhD.
- Bildende Kunst: Performances, Installationen, interaktive Experimente, Objekte und Malerei in Misch- und Acryltechnik, Illustrationen
- Literatur: bislang Fokus auf Lyrik, zuletzt erschienen: „Aufbrechen“ (siehe Gewinnspiel); demnächst folgen ihr Romandebüt und Kinderbücher.
- Musik: Sängerin der Alternative-Coverband „7 times smooth“
- Gewinnerin vieler Stipendien und Preise für Literatur, bildende Kunst www.katrinbernhardt.com
Gewinnspiel
© lex liszt
Die Burgenländerin verlost 3 x den Lyrikband „Aufbrechen“ von Katrin Bernhardt (edition lex liszt 12).
HIER mitspielen!